Donnerstag, 11. Februar 2021



CHLADNI OU LE GALBE


















Wie immer sind die einzelnen Klänge unbehandelt, abgesehen davon, daß man hier keinen einzigen Anblaslaut hört, d.h. Beginn und Ende jedes Klangereignisses sind abgeschnitten und ein- bzw. ausgeblendet worden. Außerdem gibt es hier und da einen kleinen Hall. 
Im Einsatz waren das Melodion, das Portativ und drei Flöten.



As usual the sounds remain untreated, except that you won´t hear an attack, that is to say, the beginning and the end of each sound event were cut and faded in, respectively faded out. In addition there is a small reverberation from time to time.

I used the melodion, the portative and three flutes.





















Now as before, it´s about exposing interferences, binaural beats, frictions and the oscillations created by an overlay of same-height tones. Something that is considered disharmonic stays or becomes harmonic in a broader sense. 



Nach wie vor geht es darum, Interferenzen, Schwebungen, Reibungen und aus der Überlagerung gleicher Töne entstehendes Oszillieren, d.h. etwas, was gemeinhin dem Mißklang zugeordnet wird, zu exponieren, jedoch gleichzeitig in einem umfassenderen Sinn harmonisch zu bleiben. 

























































Daher hoffe ich, daß diese CD sowohl als experimentell wie auch als schön im traditionellen Sinn wahrgenommen werden kann.



Therefore I hope this cd can be perceived as experimental as well as conventionally beautiful.





























CHLADNI OU LE GALBE: Die erste Hälfte des Titels, Chladni, fand ich in einem Roman. Eine tschechische Roma namens Zoli erinnert, wie sie früher zur Freude der Kinder mit einem Geigenbogen über Bleche strich, auf denen sich dann das Salz oder der Zucker zu seltsamen Bildern, Mustern zusammenfand. Sie nennt diese Gebilde Chladnis. Zuerst dachte ich: vielleicht ist das der tschechische Ausdruck für dieses Phänomen. Dann fand ich aber schnell heraus, daß der Begriff vom Eigennamen eines deutschen Physikers aus dem 18. Jahrhundert herrührt. Er gilt als Begründer der modernen Akustik. Und tatsächlich gibt es Oszillatoren zu kaufen, um diese Muster im Schulunterricht zu zeigen. Ich habe damals vermutlich gefehlt. 



CHLADNI OU LE GALBE: The first half of the title Chladni I found in a novel. A Czech Roma woman called Zoli remembers how she stroke a griddle with a bow, much to the joy of the children, and the sugar or the salt on it shaped into strange patterns and images. She calls these fabrics chladnis. First I thought: this might be the Czech expression for this phenomenon. But then I quickly found out that it´s the proper name of a German physicist from the 18. century. He is considered to be the founder of modern acoustics. And actually you can buy oscillators to discuss these patterns in school. Presumably I missed these lessons.






      



The second half of the title, le galbe, signifies a perfect curvature. I bumped into this word right after checking out chladni. It turned up in a small and weird mini novel called Monsieur Origami. The main character, precisely Monsieur Origami, lives in Italy and produces washi, that is to say transparent so called rice paper. Then he pleats origamis only to unfold them again. In the meantime he does Zazen which means just sitting in order to sit. 

At some point along the storyline, an anecdote is being told. It recounts that in old China the diplomas were sent and resent in the form of origamis. As soon as you unfolded them it was no longer possible to refold them again without ruining the document, that is to say without adding new bucklings and lines. So when the recipient saw that his diploma had bucklings which shouldn´t be there, he knew that somebody else had already opened and supposedly read the precious document.

This Monsieur Origami falls in love with a woman he calls the black pantheress and whose perfect curvature - le galbe - of her calfs he admires.

















Der zweite Teil des Titel, le galbe, bedeutet übersetzt soviel wie perfekte Rundung. Darauf gestossen bin ich direkt im Anschluß an die Recherche zu Chladni. Das Wort findet sich in einem kleinen, seltsamen Mini-Roman mit dem Titel Monsieur Origami. Die Hauptfigur, eben Monsieur Origami, lebt in Italien und produziert Washi, d.h. durch-scheinendes, sogenanntes Reispapier. Er faltet dann Origamis, nur um sie wieder zu entfalten. Zwischendurch macht er Zazen, d.h. er sitzt, um zu sitzen. 

Zwischendrin präsentiert der Roman die Anekdote, daß im alten China die Diplome in Origami-Form verschickt oder zurückgegeben wurden. Sobald man sie entfaltete, war es unmöglich, sie wieder zusammen-zufalten, ohne das Dokument zu ruinieren, d.h. neue Knicke und Linien hinzuzufügen. Wenn also der Empfänger sah, daß sein Diplom Knicke enthielt, die dort nicht hätten sein dürfen, wußte er, daß vor ihm schon ein anderer das kostbare Dokument geöffnet und gelesen hatte. 

Nun verliebt sich Monsieur Origami in eine Frau, die er schwarze Pantherin nennt und deren perfekte Rundung - le galbe - ihrer Waden er bewundert.























































Trotz dieser schon ein wenig verschlungenen Anekdoten ist aber der Titel natürlich nicht Teil der Musik. Eher schwebt er über ihr.


Pierre Soulages hat mir mit seinen Bildern gezeigt, wie man aus einem Minimum an Material ein Maximum an Farben schöpfen kann. Die Emanation seines Schwarz´ ist faszinierend. 

In Baden-Baden konnte ich in seiner großen Ausstellung sehen, wie mit jedem Schritt in eine andere Richtung, mit jeder kleinen Veränderung des Blickwinkels vor dem Bild, aber auch des natürlichen Lichts immer wieder neue Gemälde entstehen, wie das Schwarz zu leben beginnt.

Übersetzt in Musik heißt das: Mit jeder kleinen Veränderung innerhalb der Zeitachse entstehen immer wieder neue Klangfarben, Kompositio-nen.









The title though is not part of the music, despite these a bit entwined anecdotes. It rather hovers over it.


Pierre Soulages showed me through his paintings how to ladle a maximum of colours out of a minimum of material. The emanation of his Black is fascinating. 

Visiting his big exposition in Baden-Baden I could see how, with each step in another direction, with each tiny change of angle and perspective in front of the painting but also with the change of the natural light, new paintings emerged and the black began to live.

Translated into music it means: with each tiny change in between the timeline, new compositions arise, new colours of sound.














































Therefore, eventhough it unmistakably is about one piece, there are several tracks. 

So you can stroll back and forth on the timeline - using the option »random play« or listening to the tracks from end to beginning etc. - and therefore change the angle, the auditory angle, in analogy with Pierre Soulages.

It´s a bit like stroking the griddle: each time you get different (sound) patterns.



Obwohl es sich eindeutig - und auch durchweg so konzipiert - um ein Stück handelt, gibt es daher mehrere tracks. Man kann, in Analogie zu Pierre Soulages, auf der Zeitachse hin- und herwandern - indem man die Option »Random Play« aufruft oder die tracks von hinten nach vorn durchhört - und so den Blick-, oder besser den Hörwinkel verändern.

Es ist ein wenig wie das Streichen mit einem Geigenbogen übers Backblech: jedes Mal ergeben sich andere (Hör)-Muster.

















Die Fotos verdeutlichen auf andere Weise als die Töne, wie sich das Sichtbare und das Hörbare durch eine Änderung des Blick- oder des Hörwinkels verändern können.

Alle Aufnahmen zeigen entweder eine blaue Wasserflasche mit halbgefrorenem Wasser oder eine Fensterscheibe mit Eisschlieren.

Vielleicht findet sich hier die perfekte Rundung?































The photos elucidate in a different way than the tones how the visible and the audible can change through a change of the visual or auditive angle.

All images show a blue water bottle with half frozen water or a window with ice on it.

Perhaps here you´ll find the perfect curvature?























Kommentare sind wie immer willkommen. 

mail@stefan-hardt.de


Alle erwähnten CD´s und noch viele mehr sind entweder bei mir direkt oder bei Bandcamp bestellbar (stefanhardt.bandcamp.com).



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